GKV-Finanzergebnisse 2023
Krankenkassen weisen Defizit von 1,9 Milliarden Euro aus
12.03.2024·Nach einem Plus von 451 Millionen Euro im Vorjahr weisen die gesetzlichen Krankenkassen für das Jahr 2023 ein Defizit von rund 1,9 Milliarden Euro aus. Auch der vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verwaltete Gesundheitsfonds liegt mit 3,3 Milliarden Euro weit im Minus. Dies geht aus den vorläufigen Finanzergebnissen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das Jahr 2023 hervor, die das Bundesministerium für Gesundheit am Montag (11.03.2024) in Berlin veröffentlicht hat. Die Krankenkassen fordern nachdrücklich eine Änderung der Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Verpflichtung der Kassen zum Abbau der Rücklagen
Maßgeblich beigetragen hat zum Defizit der Kassen eine Regelung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) aus Oktober 2022. Hiernach mussten die Krankenkassen im Jahr 2023 insgesamt 2,5 Milliarden Euro aus ihren eigenen Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen. Insgesamt betrugen die Finanzreserven der Kassen Ende Dezember noch 8,4 Milliarden Euro bzw. rund 0,3 Monatsausgaben. Das gesetzliche Mindestmaß für die Rücklage beträgt 0,2 Monatsausgaben. Seit Ende 2018 wurden die Rücklagen der Kassen damit um rund 12,6 Milliarden Euro abgebaut
Stand der GKV-Rücklagen
31.12.2023: 8,4 Milliarden Euro
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro
Die unzureichende Erstattung der "versicherungsfremden Leistungen" und die damit einhergehende zusätzliche Belastung der Beitragszahlenden kritisiert auch der BKK Landesverband in Bayern: "Allein die Finanzierung der Gesundheitsleistungen für Bürgergeldempfänger ist seit Jahren mit rund 10 Milliarden Euro jährlich unterfinanziert, weil der Bund den Krankenkassen nur ein Drittel der anfallenden Kosten erstattet", so Verbandschef Dr. Ralf Langejürgen.
Im Bundestag läuft aktuell, auch mit Blick auf die Beiträge für Bezieher von Bürgergeld (früher ALG II), eine "Kleine Anfrage" an die Bundesregierung (vgl. "Links zum Thema"). Im Koalitionsvertrag habe sie hierfür höhere Beiträge aus Steuern festgeschrieben. Tatsächlich habe der Bund jedoch das Geld, was er für die Behandlung von Bürgergeldempfängern zahle, erheblich gekürzt, heißt es. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage steht noch aus.
Alle Kassenarten weisen für das Jahr 2023 Defizite aus. Das Minus beträgt bei den Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) 1,1 Milliarden Euro, bei den Betriebskrankenkassen (BKK) 363 Millionen Euro, bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) 225 Millionen Euro, bei der Knappschaft 122 Millionen Euro, bei den Innungskrankenkassen (IKK) 24 Millionen Euro und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 4 Millionen Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds verzeichnet für 2023 ein Minus in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Auch dieses resultiert maßgeblich aus einer Maßnahme des GKV-FinStG: Durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve wurden zusätzliche Mittel an die Krankenkassen ausgeschüttet, um deren Zusatzbeitragssätze zu stabilisieren. Damit betrug die Liquiditätsreserve zum 15.01.2024 rund 9,4 Milliarden Euro. Auch in 2024 werden den Kassen zusätzliche Mittel von 3,1 Milliarden Euro zugewiesen, so dass mit einem weiteren Absinken zu rechnen ist. Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 um 5,4 Prozent. Verantwortlich für die hohen Zuwächse bei den Beitragseinnahmen sind insbesondere inflationsbedingt hohe Lohnsteigerungen.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im Jahr 2023 bei einem Versichertenplus von 0,9 Prozent einen Zuwachs der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 5,0 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 5,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 1,6 Prozent. Damit hat sich die Ausgabendynamik gegenüber dem Vorjahr (2022: +4,2 Prozent) beschleunigt. Als Ursache benennt das BMG insbesondere inflationsbedingt höhere Ausgaben für Personal- und Sachkosten sowie Vergütungen der Leistungserbringer. In absoluten Zahlen stiegen die Ausgaben der Krankenkassen um 14,4 Milliarden Euro, rund 0,2 Milliarden Euro davon für Verwaltungskosten.
Maßgeblich beeinflusst wurde diese dynamischere Entwicklung durch die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen, die um rund 6,1 Milliarden Euro (+7,0 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr wuchsen. Hierbei entwickeln sich insbesondere die Aufwendungen für stationäre psychiatrische Behandlungen (+13,5 Prozent bzw. +1,1 Milliarden Euro) sowie die gebuchten Aufwendungen für die seit 2020 aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliederten Pflegepersonalkosten (+9,8 Prozent bzw. +1,8 Milliarden Euro) dynamisch. Auch die Ausgaben für weitere Aufwendungen im Krankenhaus (insbesondere Somatik) stiegen deutlich (+5,2 Prozent bzw. +3,2 Milliarden Euro).
Die Ausgaben für Heilmittel erleben mit 9,1 Prozent weiterhin einen Aufwuchs, der vorrangig auf Vergütungsverbesserungen für die Heilmittelerbringer zurückzuführen ist. Mit einem Anstieg von 7,3 Prozent entwickeln sich die Ausgaben für Hilfsmittel etwas dynamischer als die Gesamtausgaben.
Im Bereich Krankengeld entwickeln sich die Ausgaben mit 6,4 Prozent überdurchschnittlich. Dazu trägt auch der Anstieg der krankengeldberechtigten Mitglieder in Höhe von 0,6 Prozent bei. Die Aufwendungen für Kinderkrankengeld liegen mit rund 470 Millionen Euro hingegen unter dem Niveau des Vorjahreszeitraumes (540 Millionen Euro), da pandemiebedingten Sonderregelungen in 2023 ausgelaufen sind.
Der Anstieg der Arzneimittelausgaben lag mit 2,9 Prozent erstmals seit 2018 wieder deutlich unter dem durchschnittlichen Anstieg der gesamten Leistungsausgaben. Maßgeblich zu dieser moderaten Dynamik beigetragen haben laut BMG die seit Jahresanfang 2023 wirkenden Regelungen des GKV-FinStG, insbesondere ein um 5 Prozentpunkte erhöhter Herstellerabschlag für patentgeschützte Arzneimittel.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind nach den vorläufigen Rechnungsergebnissen für 2023 um 1,7 Prozent gestiegen. Dämpfend auf die Ausgabenrate in 2023 wirken insbesondere der deutliche Rückgang von Corona-spezifischen Abrechnungsziffern (z. B. Testungen).
Viele kleine und mittlere Leistungsbereiche verzeichneten ebenfalls ein dynamisches Ausgabenwachstum. Deutlich überproportional gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen (+13,6 Prozent) sowie im Bereich der Behandlungspflege und der häuslichen Krankenpflege (+12,2 Prozent).
Bei der Interpretation der vorläufigen Rechnungsergebnisse ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Hierauf weist das BMG hin. Auch die Aufwendungen für das Pflegebudget im Krankenhaus seien aufgrund der für einen Teil der Krankenhäuser noch nicht vorliegenden Abschlüsse der Verhandlungspartner vor Ort teilweise von Schätzungen geprägt.
Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2023 werden ebenso wie die Daten des 1. Quartals 2024 Mitte Juni 2024 vorliegen.
45 Kassen haben Zusatzbeitragssatz erhöht
Das BMG hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 11. und 12.10.2023 zum 01.11.2023 einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2024 von 1,7 Prozent bekanntgegeben. Zum 01.01.2024 haben 45 Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöht, bei 45 Krankenkassen ist der Zusatzbeitragssatz unverändert geblieben. Vier Krankenkassen konnten ihren Zusatzbeitragssatz absenken. Der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz aller Kassen liegt ebenfalls bei 1,7 Prozent.
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